Neue Wege mit szenischen Methoden in der Erinnerungsarbeit: Playbacktheater auf einer Gedenkveranstaltung

In diesen Zeiten kann Erinnerungsarbeit – auch für das kollektive Gedächtnis insbesondere zur NS-Geschichte in unserem Land – dabei helfen, Werte, Haltungen und Verhaltensweisen zu stärken, die alltäglicher und struktureller Menschenverachtung und Gewaltbereitschaft widerstehen und helfen, sich gemeinsam für soziale Gerechtigkeit, die Anerkennung von Unterschieden und gelingender Begegnung auf Augenhöhe einzusetzen. Unser Auftritt, den wir, das vielsprachige Playbacktheater-Projekt „blickzurücknachvorn“ durchgeführt haben, war möglicherweise ein Beitrag dazu: Im Rahmen der Begegnungsbühnen-Initiative und mit Unterstützung der Soziodrama-Akademie „So act“ waren wir in einem besonderen Ort im Spreewald/Brandenburg eingeladen. Dies war ein Versuch, am 2. Februar rund um die Gedenkstätte für das Massaker an 1342 kranken, überwiegend jüdischen Häftlingen des KZ-Außenlagers Lieberose/Jamlitz vor 80 Jahren und anschließend an ermutigende Reden (u.a. des Brandenburgischen Ministerpräsidenten, der Gedenkstättenstiftung, des Bürgermeisters) und Kranzniederlegungen Erinnerungsarbeit in ungewohnter Weise zu leisten:

Jetzige und ehemalige Anwohner aus Jamlitz und Umgebung, Aktivist*inne und Nutzer*innen des Demokratieprojektes mit Straßenkindern im Jamlitzer Bahnhof, der Gedenkstättenarbeit Verbundene, ein Kreis von längst nicht allen untereinander Bekannten kamen im Gemeindesaal zusammen, hörten konzentriert einer Lesung von Zeitzeugenaussagen und dem Aufzählen von Namen und Herkunftsländern der Ermordeten zu, die von Jugendlichen aus dem Demokratieprojekt vorgetragen wurden. Danach waren die Anwesenden eingeladen, ihren Gefühlen nach all diesem zu benennen und die Spieler*innen von „blickzurücknachvorn“ spiegelten das Gesagte mit Körperausdruck, poetischen Worten und Musik. Anschließend erzählten Anwohner*innen von konkreten Alltagserfahrungen, die ihnen an diesem Ort, an dem lange nicht alle die Trauer über das Geschehene und die kritische Auseinandersetzung mit unserer Geschichte teilen. Es waren Geschichten über kleine Hoffnungen nach schwierigen Gesprächen am Gartenzaun, über unspektakuläre aber mutige Solidaritätsgesten mit Häftlingen und Wege der neueren Generationen, um ihre Aneignung der Geschichte zu ringen. Nach dem Ende der Aufführung wurden rund um das Buffet noch lange alte und neue Geschichten erzählt. Es scheint noch viel Stoff übrig zu sein für das Erzählcafé, mit dem wir im Mai die Begegnungsbühnenarbeit an diesem Ort fortsetzen werden.

Nachfragen und Kontakt:
Jutta Heppekausen,
Psychodramaleiterin, akkreditierte Playbacktheater-Trainerin, Supervisorin
j.heppekausen@potsdam.de