Begegnungen – Erste Österreichische Fachtagung der Humanistischen Psychotherapien

Wien, 4.–5. April 2025

Nach zweijähriger Vorbereitung trafen sich ca. 200 Vertreter*innen und Mitglieder aus 12 Fachvereinen, die in Österreich dem „humanistischen Cluster“ zugeordnet werden , sowie der Donau-Universität Krems zu einer ersten „Begegnung“. In der gesamten Vorbereitung und Durchführung hatte es eine umfangreiche und wertvolle Unterstützung durch „Gesundheit Österreich“ gegeben. Als „neutrale“ Beobachterin hat eine Anthropologin den Verlauf beobachtet und gegen Ende ihre Eindrücke an die Teilnehmenden zurückgespiegelt. Interessant dabei: Sie hat einerseits eine sehr freundliche, wertschätzende Atmosphäre erlebt, andererseits aber auch subtile Abgrenzungen erkannt. In ihren Worten: Je ähnlicher sich Gruppen sind, desto eher betonen sie die Unterschiede.

Um den Zusammenhang zu verstehen, in dem diese Fachtagung stattfand, muss man berücksichtigen, dass in Österreich zum 01.01.2025 ein neues Psychotherapiegesetz in Kraft getreten ist. Es weist gewisse Ähnlichkeiten auf zu dem in Deutschland 2020 novellierten: Es wird zu einer vergleichbaren Akademisierung der Ausbildung kommen mit einer – nicht zwangsläufig in Psychologie zu absolvierenden – Bachelorphase und einem nachfolgenden Psychotherapiestudium, das mit Masterexamen und Approbation abschließt. Einer von mehreren Unterschieden besteht darin, dass das Gesetz als Bestandteil der Ausbildung alle vier psychotherapeutischen Grundorientierungen aufführt.

Die kleine Delegation der AGHPT

Ein Motiv der Ausrichter der Tagung war, die humanistisch Vereine enger zueinander zu führen, um politisch und fachlich mehr Wirkung entfalten zu können. Das erscheint nötig, obwohl es seitens des Ministeriums und durch das Gesetz Unterstützung dafür gibt, alle vier Grundorientierungen gleichberechtigt zu lehren. Denn an den österreichischen Universitäten besteht wie in Deutschland ein Übergewicht verhaltenstherapeutisch ausgerichteter Lehrender. Und die Universitäten sind nicht gehalten, für die Lehre in HPT entsprechend ausgebildetes Personal einzustellen. Andererseits kann man an der Liste der beteiligten Gruppierungen erkennen, wie sehr sich die humanistischen Psychotherapieszene in Österreich aufgesplittert hat.

Als deutsche „Delegation“ haben Katrin Schleitzer, Anatoli Pimenidou und Roland Raible an der Fachtagung teilgenommen. Und – um ein Ergebnis vorweg zu nehmen: Wir haben uns wohlwollend aufgenommen gefühlt im Kreis der österreichischen Kolleg*innen und konnten vielfache Kontakte herstellen, von denen wir uns einen Fortbestand und weitere Kooperation(en) versprechen.

Zum Ablauf: Die beiden Vorträge (mit ausreichend Zeit zu Fragen und Diskussion!) von Heidi Levitt aus Boston („The Necessity of Humanistic Psychotherapy“) und Thomas Fuchs aus Heidelberg („Phänomenologie – eine gemeinsame Basis für die humanistische Psychotherapie?“) waren eingerahmt von mehrfachen Phasen im Plenum und in Gruppen. Didaktische Hilfe zur Gruppenbildung und Aktivierung im Plenum kam von Psychodramatiker*innen. Die Gruppenarbeiten wurde von Moderator*innen vorbereitet und betreut. Wie üblich, wurden Ergebnisse im Plenum vorgetragen und ggf. diskutiert. Durch diese Gestaltung waren reichlich Kontakte, Gespräche, Begegnungen, Ideenentwürfe usw. möglich. Eine Dokumentation wird von „Gesundheit Österreich“ veröffentlicht werden.

Die vielfältigen Themen und Unterthemen aufzuführen, würde zu weit führen. Sie rankten sich um wissenschaftliche und einen gesellschaftliche Schwerpunkte. Auszugsweise und verkürzt erwähnt seien: im Bereich „Forschung“ Forschungsstrukturen und -methoden, Erkenntnistheorie, und im Bereich „Gesellschaft“ Krieg & Frieden, Autoritarismus, Klima, Gender, KI, Emanzipation.

Was nehmen wir nun mit?

  • Die Akademisierung der Psychotherapie wurde vorangebracht. Die Struktur der deutschen Ausbildung wurde übertragen – mit bemerkenswerten Unterschieden im Detail.
  • Die schon seit dem ersten Gesetz aus 1990 bestehende Vielfalt der psychotherapeutischen Verfahren ist erhalten geblieben. Es besteht trotzdem die Besorgnis, dass durch die an den Universitäten bestehenden Ungleichgewichte zu Gunsten der Verhaltenstherapie verschiedene therapeutische Verfahren „austrocknen“. Um dem entgegen zu wirken, wird ein Zusammenschluss der Verfahren aus der gleichen Orientierung/dem gleichenCluster als vordringlich erachtet und unterstützt, auch von behördlicher Seite.
  • Das stellt eine erhebliche Herausforderung an die Fachvereine dar, die – ermöglicht durch Regelungen im alten Gesetz – eine größere Aufsplitterung in Unterformen des gleichen Ansatzes aufweisen, als wir das in Deutschland kennen. Es gibt eine jüngere Generation von Kolleg*innen, denen eine Hinbewegung auf mehr Gemeinsamkeit leichter fällt als den älteren.
  • Eine der AGHPT vergleichbare Organisation existiert nicht in Österreich. Impulse zur Einrichtung einer „Dachorganisation“ klingen an. Die nicht einfache Kooperation der Vereine in Vorbereitung dieser Tagung kann als faktischer Zusammenschluss interpretiert werden. Weitere Arbeitsgruppen mit diversen Aufträgen wurden ins Leben gerufen. Sie könnten auf eine Kontinuität und Institutionalisierung hinführen.
  • In Österreich herrscht ebenfalls die Not vor, Lehrstühle mit Professor*innen einer humanistisch-psychologischen Ausrichtung zu besetzen und Forschung zu betreiben.
  • Möglichkeiten zur Kooperation zwischen der AGHPT und österreichischen Kolleg*innen wurden angebahnt.